Wie ein narzisstischer Vater Zwangsstörungen auslöst und dann verbietet

Lenora Thompson

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Die Zwangsstörung entlastete mich von Stress, sonst wäre ich explodiert. Die Wut meines Vaters brachte mich an meine Grenzen des Aushaltbaren. Dann verbot er mir mein Pickel-Ausdrücken (Dermatillomania), meine einzige Erleichterung von Stress. Es war eine Tortur! 

Es war einmal eine glückliche, kleine Familie. Mit einem narzisstischen Papi, der die Show abzog. Eine süße, co-abhängige Mutter („Kleiner Aufseherin“), die alles machte, was er sagte. Und ihr süßes, folgsames „Kleine Projekt“, ihr Augapfel, der in allen Schattierungen den narzisstischen Nachschub erfüllte. Ich. 

 

Die Dinge schleppten sich  für die ersten 15 Jahre nett dahin, wenn du die regelmäßigen Blackout-Wutanfälle des Papas übersiehst. Aber früher oder später, platzte die Bombe. Sie erzählten mir nie, was genau passierte, aber ich habe einen Verdacht. Plötzlich wendete sich diese nette, normale Familie von einem glücklichen und friedvollen zu einem Unwetter-Narzissten….über Nacht. Risse und Sprünge tauchten im Fundament der Ehe von Papa und Mama auf. Der Stress qualmte aus allen Ritzen.

 

Sei gegrüßt Zwangsstörung!

 

Ich mochte es schon immer, an Wundschorf zu kratzen. Wer mag das nicht. So wie C. S. Lewis schrieb: „….Hast du je schon einmal den Schorf von einer Wunde abgepfriemelt? Es tut wie Hölle weh, aber es macht Spaß zu sehen, wie es weg geht.“ Jetzt entdeckte ich Taschen von Müll in den Poren meines Gesichtes. Ich war besessen, diese auszudrücken, jeden Tag, mehrmals am Tag. Die Erleichterung von Gehetzt-Sein und Stress, den Frieden, den es brachte, wurde eine Sucht.

 

Wenn ich zupfte, reduzierte sich die reale Welt auf einen Blick. Ich erreichte einen Trance artigen, gelassenen Zustand. Dann gab es eine Trennung zwischen mir und meiner chaotischen Realität. Ich konnte dann über alles klar, ehrlich und intuitiv nachdenken. Die Gedankenkontrolle meiner Eltern fiel weg und ich war nur Ich, konnte meine eigenen Gedanken denken, und nicht das, was ich denken sollte. Und es machte süchtig.

Der Stachel des Schmerzes, wenn ein Pickel oder Zyste aufsprang, war kathartisch wie eine Akupunktur. Die erfolgreiche Entleerung des „Mülls“ meiner Poren gab mir die Illusion, ich würde den „Müll“ meines Lebens entfernen können. Für ein paar gesegnete Momente konnte ich entspannen.Dann kam das Klopfen an der Badezimmer-Tür. Der Wut entbrannte verlangte, dass „ich wissen solle, was ich da mache.“ Der Schreck meiner Eltern bei dem Anblick meines verwüsteten Gesichts. Der Ärger, die Wut, die Sorge, dass ihr „Kleines Projekt“ nicht mehr perfekt aussieht. Hatte ich sie nicht stolz gemacht!? Habe ich nicht Nachbarn und Verwandte beeindruckt!?

Vater tat ein feierliches Gelübde. „Wenn du nicht aufhörst, an deiner Haut herum zu picken, werde ich nie wieder sagen, dass du hübsch bist.“ Das ist der Weg, ein 15-jähriges Mädchen zu treten, wenn sie traurig ist und dich am meisten braucht. Er hielt das Gelübde gar an meinem Hochzeitstag.

Was eine Heuchelei!

Aber es war alles so heuchlerisch, denn ich war nicht die einzige.

Wie ein gerupfter Kakadu riss sich Mutter ihre Feder aus….ich meine, ihre Haare. Der Anfang ihrer Trichotillomanie, Panikattacken, Angstzustände und Platzangst fielen mit meiner Dermatillomanie zusammen. Aber das ist eine andere Geschichte für wann anders.

Ihre schönen, braunen Haare hingen nicht mehr weich und glänzend von oben herab. Jetzt gab es da „Zweige“, die nach oben standen…neu nachwachsende Haare, die den Platz wieder ausgefüllt hätten, riss sie aus.

Lebhaft kann ich mich an den Tag erinnern, als sie im Bett lag, schluchzend und nach mir kreischend wegen meiner „Akne“. Wie sie mich wegen meiner Dermatillomanie anschreien konnte, obwohl sie selbst Trichotillomanie hatte, was meinen Verstand wanken ließ.

Aber sie konnten mich nicht bremsen. Ich überlegte schon, damit aufzuhören. Aber ich wusste, ja ich wusste nur, dass ich innerlich explodieren würde. Knacks. Ich würde eine Art Zusammenbruch haben.

Hätte ich aufgehört, wäre es nicht die Frage gewesen, ob ich zusammenbreche, sondern wann ich zusammenbreche. „Aku-Picken“ war mein einziger Stress-Abbau. Und…dann Trost-Essen.

In der Zeit, als andere gestresste Teenies anfingen mit Rauchen, Drogen, Alkohol und Sex, drückte ich überschüssiges Keratin und verhärtete Talkpfropfen aus meinen Poren. Während vielleicht andere Eltern dankbar gewesen wären, dass ihr Teenie so einen unschuldigen Stress-Abbau an sich hat, kreischten meine umso mehr. Während andere Eltern ihr Kind vielleicht zum Dermatologen brachten, schrien meine und erteilten mir Lektionen und machten Fotoaufnahmen von meinen Wunden.

 Es war eine Geisteskrankheit, ein Wahnsinn, eine Scheinheiligkeit, zu erwarten, dass ich perfekt handele, perfekt lächle und perfekt aussehe in einer grauen Familie, die plötzlich und unerklärlich um 360 Grad nicht mehr perfekt war.

Versuche mal, mit Menschen über Unmenschlichkeit zu sprechen….

Gehorsam gegen Gesundheit

Aber ich machte weiter. Es war eine Frage von Gehorsam gegen Gesundheit. Ich wählte die Gesundheit. Oh, sie versuchten alles, mich zum Aufhören zu bringen. Mein erster Job neben der Schule war, im Einzelhandel zu arbeiten. Was meine Mitarbeiter nicht wusste, war, dass meine Eltern mein Make-up, meinen Schutz, mein Fundament konfiszierten.

Mit Gewissheit würde die Scham, in der Öffentlichkeit mit einem verwüsteten Gesicht zu erscheinen, meine sündhafte, ungehorsame Pickelei stoppen. Aber nein. So banden sie meine Hände hinter meinen Rücken. Papa verbot mir, meine Haut im Gesicht zu berühren. Buchstäblich. Die „Kleine Aufseherin“ wurde beauftragt, meine Pflege zu übernehmen, und mir gar das Gesicht zu waschen! Technisch, war ich eine Erwachsene….und mir war verboten, meine eigene Waschungen durchzuführen. Wenn irgendetwas zu tun war und aufkam, hatte das Mami zu tun. Ja, ich weiß. Das einzig noch mehr Erniedrigende wäre gewesen, dass sie mir den Arsch abgeputzt hätte!

Glücklicherweise dauerte der Seelen tötende Horror nicht lange. Sie konnte einfach in Nahsicht nicht gut schauen, um meine Fellpflegerin zu sein. Sie gaben mir irgendwann meine konfiszierten Kosmetikartikel zurück.

Meine Maske

L’Oreal machte, als ich 20 war, alles wieder gut. Ich wurde Expertin, Schichten von Puder auf trockenem Untergrund und flüssiger Grundierung  zu legen. Ich probierte sogar Grundierung von Ben Nye Bühnen-Makeup aus. Komplimente über meine „perfektes Gesicht“ waren häufig….und demütigend. Ich rückte dem Sprecher den Kopf zurecht. Ihre Komplimente standen der schweigenden Kampagne der Scham meines Vaters entgegen. Er bevorzugte es dann, mir nicht in die Augen zu schauen, stattdessen starrte er auf meine Narben, Grimassen und Hohn, wendete sich wortlos ab.

In ihrer ko-abhängigen Weise versuchte meine Mutter mir zu helfen, noch mehr konstruktive Anwendungen für meine Hände zu finden. Stickarbeit, Häkeln, mit Knete spielen. Aber es  half nichts. Zur Hölle bin ich ungeschickt, selbst eine Büchse und Gläser zu öffnen, schaffe ich nicht. Und meine Hände fanden immer wieder ihren Weg zurück ins Gesicht.

Das Problem war nicht die Zwangsstörung. Das war nur das Resultat des Missbrauchs durch Narzissten. Aber wir waren so schrecklich blind dabei!

Gewahr werdend, dass meine Leistungen zum Makeup-Künstlertum aufstiegen, sendete mein Vater die „Kleine Aufseherin“ zu mir, um mich zu informieren, dass es mir verboten wäre, beim Familien-Abendessen ohne Make-up zu erscheinen. Mein Bühnen-Make-up. Nun, das Essen nervte sowieso, so richtete ich es mit dem Büro-Plan so ein, dass es immer später wurde. Er beschuldigte mich, mich aus der Familie zu entfernen. Raus gehauen zu werden, trifft es besser!

 

 

Die Kur

Es erforderte eine überstürzte Heirat und ein Umzug von 300 Meilen Entfernung von meiner liebenden und sorgenden Familie, um meine natürliche Schönheit wieder zu erlangen. Erlöst vom Stress und dem Tragen von schwerem Make-up rund um die Uhr, heilte meine Gesichtshaut magisch, weniger verstopfte Poren. Keine Zysten mehr. Keine Infektionen mehr. Kein überwältigender Bedarf, mehr an meinem eigenen Gesicht zu reißen. Keine Befürchtungen mehr, innerlich zu explodieren ohne meine Krücke der Zwangsstörung.

Zum ersten Mal nach 20 Jahren kann ich frei von Scham mit bloßem Gesicht in der Öffentlichkeit erscheinen.

So, ich überlasse es dem Leser. Verursachen Narzissten Zwangsstörungen bei ihren Opfern?

Hinweis: Da ist nur eine einzige Antwort richtig.

Zur Hölle, jaaaaaa!

Quelle: http://blogs.psychcentral.com/narcissism/2016/01/narcissism_ocd/

 

Lenora Thompson (aus dem Englischen übersetzt von Emma Kober) 

 

 

Über Lenora Thompson

 

 

Lenora Thompson ist freie Journalistin für die Huffington Post und Holzbrand-Künstlerin. In ihrem Blog „Narzissmus begegnet der Normalität“ („Narcissism Meets Normalcy“) beschreibt sie ihre wahre Lebensgeschichte, eine Flucht in jüngster Zeit aus der Geiselhaft einer Generationen übergreifenden, sektenhaften, narzisstischen Familie. Mit offenem, beißenden Humor und Sarkasmus beschreibt sie mutig und realistisch, was sie erlebte. Lenora Thompson sieht sich selbst als „whistleblower“, die eine Schlaglicht auf narzisstischen Missbrauch wirft, so dass auch andere anfangen, ihre Freiheit und die Erfahrung von Heilung zu machen. Hier ihre Webseite: http://www.lenorathompsonwriter.com

 

Der Artikel ist nur zur Information und hat aufklärerische Absichten. Es sollte unter keinen Umständen als Therapie erwogen werden oder Therapien und Behandlung ersetzen. Wenn du dich Selbstmord gefährdet füllst, oder denkst, dich selbst zu verletzen, oder wenn jemand in Gefahr ist, wende dich an öffentliche Notrufstellen. Der Inhalte dieser Blogs und alle Blogs beschreiben die Meinung von L. Thompson. Wenn du Hilfe brauchst, kontaktiere qualifizierte psychologische Stellen. 

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