12 Schritte, um Dich von der Sucht nach einer Person zu befreien

Therese J. Borchard


In seinem Buch „How to break your addiction to a person“ („Wie breche ich die Abhängigkeit zu einer Person auf!“) erklärt Howard Halpern zunächst, was eine Abhängigkeitsbeziehung ist und gibt dann Hilfestellung, um herauszufinden, ob Du selbst Teil einer solchen bist.
Er bietet dann verschiedene Techniken an, wie man eine ungesunde Paar- oder generell emotionale Beziehung beendet.

Ich habe all seine Vorschläge in die folgenden 12 Techniken zusammengefasst, die ich als die wichtigsten Passagen seines Buches erachte:

 

1. Führe ein Beziehungstagebuch

Schreibe alle Ereignisse und Geschehnisse der Beziehung auf. Besonders wichtig dabei ist, ehrlich und detailliert Deine Gefühle zu den jeweiligen Begebenheiten und allen Kontakten, die Du mit Deinem Partner hast, festzuhalten.

Die Gründe dafür, dass das außerordentlich wichtig sein kann, sind:

a) dass, es das Bemerken der Dinge fördert, die tatsächlich ablaufen und vor allem, wie Du Dich dabei fühlst;

(b) es kann dabei helfen, nachzuvollziehen, wie sich die Beziehung im Laufe der Zeit entwickelt, welche Muster sich bilden, auch gerade im Rückblick, um sich klar zu machen, wie es wirklich war und sich angefühlt hat;

(c) es vermindert die Möglichkeiten, sich die Beziehung schönzureden oder die Ereignisse zu Gunsten positiver Erinnerungen zu verdrehen. Es verhindert, dass Du Dir im Nachhinein die Geschichte schöner ausmalst, als sie letztendlich gewesen ist.

 

2. Finde die Muster

Herauszufinden, dass es sowohl im Bezug auf die Menschen, als auch die Art der Beziehungen, die Du mit diesen eingehst, wiederkehrende Muster gibt, kann Dir die Augen öffnen.

Solltest Du der Meinung sein, Dein jetziger Partner, bzw. Deine jetzige emotionale Bindung sei eventuell nicht die einzige mit gewissen Schwierigkeiten, wäre ein Rückblick auf andere Bindungen dieser Art sehr empfehlenswert.

Liste Dir zuerst jede Person namentlich auf, mit der Du eine emotionale Bindung jeglicher Art hattest, sei es eine Affäre, eine feste Beziehung, eine Ehe. Gehe dabei so weit zurück, wie Du Dich erinnern kannst.

Liste dazu alle physischen Merkmale auf: Größe, Körperbau, Haarfarbe, Augenfarbe, die Art, sich zu bewegen, die Stimme, das Maß der Attraktivität usw.

Dann schreibe die Merkmale auf, die Du diesem Menschen als Persönlichkeit zuordnen würdest: Was hast Du als bedeutsamstes Attribut empfunden, welche Adjektive beschreiben die Persönlichkeit am deutlichsten? War die Person eher aktiv oder eher passiv? Warm und zugänglich oder eher kühl und distanziert? War es eine selbstbewusste oder eher schüchterne Person?

Noch wichtiger als Ähnlichkeiten in den physischen und Persönlichkeitsmerkmalen von Menschen, mit denen man enge Beziehungen hatte, sind die Beziehungsmerkmale, die wiederholten Interaktionsmuster, an denen Du beteiligt warst.

Um eine Vorstellung davon zu bekommen, ob Deine Beziehungen wiederholte Muster hatten, kann es nützlich sein, unter dem Namen jeder Person, mit der Du in Beziehung standest, Antworten auf Fragen wie folgende zu geben:

• Wie genau begann die Beziehung? Wer war der Initiator? Wer war derjenige, der „mitgemacht“ hat

• War einer von euch dominanter? Wer schien zu kontrollieren, wann und wo Ihr Euch trefft, wie die Zeit verbracht werden soll?

• Was war der emotionale Ton der Beziehung für Sie? Liebend? Wütend? Zufrieden? Gedrückt? Ängstlich? Langweilig? Unsicher? Romantisch? Verzweifelt?

• Sind Deine emotionalen Bedürfnisse befriedigt worden?

• Wie ging die Beziehung aus? Wer hat es beendet? Warum? Was waren die Gefühle von jedem von euch bzgl. des Endes der Beziehung?

 

3. Schreibe Dir selbst Memos

Ein Patient von mir erfand diese Technik, sich selbst Memos zu schreiben.

Sie schrieb kurze Nachrichten, schickte sie an sich selbst, nahm sie aus ihrem Briefkasten, wenn sie nach Hause kam und las dann so etwas wie: "Hi! Willkommen zuhause. Mach’ Dir ein Hühnercurry, und hör’ ein bisschen gute Musik. Du bist es wert, Dich um Dich selbst zu kümmern, betreibe diesen Aufwand. Danach erst  erledigst du den Stapel Briefe oder Rechnungen, die du abgelegt hast.“

Oder: Ruf’ Karoline und / oder Maria heute Abend an und mach’ Dir mit ihr Pläne für das Wochenende. Dann genieße den Rest des Abends, indem du tust, was du tun willst, das wäre lustig und lustvoll.“  

Oder: „Heute Abend ist es genau zwei Wochen her, seit du ... zuletzt gesehen hast. Wie ich Dich kenne, wirst du traurig und sentimental über das Jubiläum sein und kannst sogar versucht sein, ihn anzurufen. Du wirst fast vergessen haben, warum Ihr es beendet habt. Also erinnere Dich, wie unmöglich geizig er war und wie bösartig er Dich beschimpfte. Oder wie er Dich verschwenderisch nannte, weil Du Dir etwas wenig luxuriöses gekauft hast, und das mit Deinem eigenen Geld! Und wie dumm er sein konnte. Und wie er mit seinen Gefühlen umgegangen ist. Es ist das zweiwöchige Jubiläum, von all dem befreit zu sein!"

 

4. Verbindungen herstellen

Um Dich von der Tyrannei deiner Sucht zu befreien, kann es hilfreich sein, die Verbindung zwischen Dir und dem Kind, das du einmal warst, herzustellen und klar zu sehen. Die Gefühle, die du jetzt erlebst, mit Kinderaugen zu betrachten.

Es wäre enorm hilfreich für Dich, Dich mit Säuglings- oder Kinderalben von Dir selbst auseinanderzusetzen.

Notiere jedes negative Gefühl, das durch Antizipation oder Handeln ausgelöst wird, um eine schlechte Beziehung zu brechen. Ob es Deine furchtbare Angst vor Einsamkeit und Verlassen-werden ist, überwältigende Bedürftigkeit, Sehnsucht, Unzulänglichkeit, Unsicherheit, Schuldgefühle oder was auch immer.

Dann schreibe Dir für jedes Gefühl, jeden Gedanken auf, wann Du glaubtest, als erstes so etwas gefühlt zu haben. Was ist passiert? Warum hast du dich so gefühlt? Was in der gegenwärtigen Situation scheint ähnlich genug, um diese alten Gefühle auszulösen? Ist es wirklich eine vergleichbare Situation für Dich, auch jetzt so zu reagieren?

Spüre die Verbindungen, habe Mitgefühl, sei empathisch und unterstützend für das kleine Kind, das Du einmal warst. Dieses Kind hatte Grund, so zu fühlen, wie es gefühlt hat.

Aber du wirst vielleicht entdecken, dass du als Erwachsener keinen guten Grund hast, dich jetzt genau so zu fühlen, wie du es damals getan hast. Und das kann sehr befreiend sein.

 

 

5. Baue Dir ein unterstützendes Netzwerk

In Zeiten, in denen Du Beziehungen beendest, die Dich wie auch immer genährt hat, können Freunde als Hilf-Lebensunterstützungssystem dienen. Der Wert dieses Netzwerks ist großartig und kann den entscheidenden Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg beim Beenden der Beziehung machen. Es hat viele spezifische positive Nebenwirkungen, ein solches Freunde-Netzwerk zu haben, aber vor allem wenn Du Angst hast, ganz allein im Universum zu sein kann es Dir die beruhigende Sicherheit geben, dass andere fürsorgliche Menschen für Dich da sein können. Und dieses Netzwerk, mit dem Du Dich wieder mit dem Leben verbindest, kann Deine Entschlossenheit stärken, die Pause zu machen und zu erhalten.

 

 

6. Vervollständige Deine Sätze

Unten sind einige unvollständige Sätze, die Dich - wenn du sie spontan und ehrlich beendest - mit grundlegenden Aspekten deines Selbst in Verbindung setzen.

Sie können eine oder mehrere Ergänzungen für jeden Satz benutzen.

Ich bin…

Die Hauptsache an mir ist ...

Ich mache immer…

Ich fühle mich am meisten, wenn ich...

Was mir am meisten an einer Person gefällt, ist ...

Ich werde ... sein

Ich werde wütend, wenn ...

Ich fühle mich am glücklichsten, wenn ...

Ich glaube an…

Eine Sache, die ich erreichen möchte, ist ...

Was mir an mir selbst am meisten gefällt, ist ...

Ich hasse es, wenn…

Ich war…

Ich fühle mich am wenigsten, wenn ...

Ich fühle mich am schwächsten, wenn ...

 

 

7. Nimm Deinen Körper bewusst wahr

Dein Selbst ist kein körperloses Wesen.

Wie Du Dich im Bezug auf Dich selbst fühlst, wer Du bist, ist in vielerlei Hinsicht mit Deinem Sinn für Größe, die Form und das Funktionieren Deines Körpers verbunden. Alle Übungen, die Dir helfen, Dir Deiner selbst bewusster zu werden, wie Du aussiehst, Dich anfühlst, wie Dein Körper funktioniert, die Auswirkungen Deines Körpers auf Deine Umgebung und die Auswirkungen der Welt auf Dich - können Deinen Bezug dazu verstärken, dass es einen zentralen Kern gibt, der unverkennbar Dein Innerstes Selbst ist, Du selbst bist und der Körper Teil Deiner einzigartigen Identität ist.

Wenn Du eine Person bist, die sowieso Sport treibt oder sich anders körperlich aktiv beschäftigt, ist es eine Frage der Einkehr in deinen Körper gerade in der Aktion und das Erleben dessen als Manifestation und Reflektion dessen, wer du bist.

Aber ob Du nun bereits aktiv oder eher nicht bist, der grundlegendste physiologische Prozess, mit dem Du Dich Deiner selbst bewusst werden kannst, ist Deine Atmung. Wenn Du dazu tendierst, Dich zu verlieren, wenn Du nicht mit jemand anderem verbunden bist, kann es hilfreich sein, einige Zeit jeden Tag tiefe Atmung zu üben.

 

 

 

8. Nähre Deine innersten Fantasien

Kreiere Deine eigene Art zu sehen, zu hören, zu erforschen und mit Deinem einzigartigen Innersten in Verbindung zu treten. Manche Menschen zeichnen Bilder von sich selbst, andere bringen es in plastische Form und wieder andere können besser darüber schreiben.

Die Methode ist im Grunde unwichtig, es ist die Botschaft, die Du sendest.

Diese Botschaft, die Du sendest, ist, dass du eine Identität hast, die echt ist, komplett und Deine alleinige.

Es kann sein, dass Du Dich genau gegenteilig fühlst, dass Deine eigene Identität nur schwach oder wolkig oder fragmentiert vorhanden ist - aber diese Gefühle verzerren nur die Tatsache, dass Du eine solide und ganze Person bist. Deine Identität hängt nicht davon ab, mit einer anderen Person verbunden zu sein.

Im Gegenteil: in einem Suchtverhältnis zu einer anderen Person zu stehen, gaukelt Dir nur die Illusion einer Identität vor und ist ein sicherer Weg, Deinen Bezug zu Dir selbst , die Person, die Du innerlich bist und Deine eigene reale Identität zu schwächen.

 

 

9. Bewusstsein für das Wollen

Wenn dein Bezug zu Dir selbst komplett schwankt -was Du daran erkennst, dass Du gar nicht mehr weißt, was Du eigentlich willst - möchte ich Dir eine kleine Übung vorschlagen, die die Psychoanalytikerin und Gruppenleiterin Ruth Cohn (früher New York, jetzt Schweiz) einigen ihrer Patienten vorgeschrieben hat.

Nimm Dir jeden Tag zehn Minuten Zeit, in denen Du ungestört sein kannst und gib’ Dir selbst folgende Aufgabe:

In diesen zehn Minuten werde ich mich ganz auf das konzentrieren, was ich in diesem Moment will. Was mein Körper tun will, was meine Gedanken denken wollen! Und soweit es geht, werde ich genau das tun!

 

 

10. Stoppe Deine Gedanken und lenke Dich ab

Eileen hat mir gesagt, "ich habe einen Weg gefunden, viel weniger an Peter zu denken. Ich trage dieses Gummiband um mein Handgelenk, und sobald ich bemerke, dass Gedanken über Peter in meinem Kopf herumschwirren, ziehe ich das Gummiband vom Handgelenk und lasse es hart gegen mein Handgelenk schnipsen. Es funktioniert wirklich!"

Zuerst war ich entsetzt, dass sie sich selbst durch Schmerz konditioniert, nicht an Peter zu denken. Aber dann merkte ich, dass Eileen ein sehr tiefes Verständnis für ihre Bedürfnisse, aber auch die Muster und Geschichte entwickelt hatte, die zu ihrer Abhängigkeit von Peter und anderen ähnlichen Männer Geführt hat und versuchte, ihren Sinn für sich selbst, ihre Eigenständigkeit als Person zu stärken. In diesem Zusammenhang war ihr Verhaltens-Gimmick kein Ersatz für eine wirkliche Veränderung, sondern eine nützliche Technik im Umgang mit dem Zurückfallen in ihre alten Muster bzgl. ihrer Abhängigkeit – und damit die wiederkehrenden Gedanken über Peter. Ich konnte sehen, dass es einen großen Wert für sie hatte, eine gute Möglichkeit, die letzten starren Bindungen an ihn zu durchtrennen. Und ich kann es nur als adäquat sehen, jemandem durch Verhaltens-Tricks das Durchbrechen der Sucht zu erleichtern.

 

 

11. Mehrere Bindungen zulassen

Wenn wir mehrere Bindungen zur Befriedigung unserer Bedürfnisse nach Liebe, Behüten und Stimulierung zulassen, erlauben wir uns sicherer, unabhängiger und freier zu sein, wir selbst zu sein.

Das bedeutet nicht, dass alle unsere Bindungen gleich sind. Es ist natürlich möglich und auch höchst wünschenswert, zu unserem priorisierten Partner eine tiefe, intime Bindung einzugehen, aber wir haben auch viel Bedarf an Verbundenheit anderer Art, die von Freunden, nahen Verwandten, Kollegen, Mitarbeitern und anderen erfüllt wird.

 

12. Verbinde Dich mit dem Zeitlosen

Es gibt eine andere Quelle der Verbundenheit, die nicht an bestimmte Menschen geknüpft ist und einige Vorteile hat, die Bindungen an Menschen nicht haben.

Das „Gershwin-Lied“ drückt den romantischen Wunsch aus, dass  selbst wenn "die Rocky Mountains einstürzen, Gibraltar zerbröckelt, weil das alles nur aus Lehm besteht, aber - unsere Liebe ist das, was bestehen bleibt."

Nun, die Rocky Mountains und Gibraltar gibt es immer noch, während unzählige Leute, die ihren Partnern diese Texte ernsthaft und mit Hingabe sangen, mit diesen nicht mehr in einer Beziehung sind. Es mag einer gegangen sein, durch Trennung oder Tod, so oder so, einer oder beide sind weg.

Ich schlage nicht vor, lieber Felsen zu lieben als Menschen.

 

Aber ich möchte auf zwei andere Konklusionen hinweisen:

 

1) es unrealistisch, die Möglichkeit auszublenden, dass eine Bindung nur vorübergehend und vergänglich ist;

2) je mehr wir einen Teil unserer Bindungsbedürfnisse in dauernde und sogar zeitlose Dinge investieren (sich selbst, Talente, Bildung, Musik, Hobbys, Glauben, Vereine...), umso sicherer stehen wir den Veränderungen und Diskontinuitäten unseres Lebens gegenüber.

 

Therese J. Borchard 

 

(übersetzt aus dem Amerikanischen von Jannicke Schwarzhoff)

 

 

Original: https://psychcentral.com/blog/archives/2011/02/20/12-steps-to-break-your-addiction-to-a-person/

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