Schmerz? Lächeln! Lächeln! Lächeln!

Lenora Thompson

„Wir tun so, als wären wir eine glückliche Familie“, schluchzte ich, „aber wir sind nicht glücklich. Wir sind es wirklich nicht.“ 

„Wir tun so, als wären wir eine glückliche Familie“, schluchzte ich, während ich Papa wütend aus dem Haus stampfen sah. „Aber wir sind nicht glücklich. Wir sind es wirklich nicht.“

Es war das erste Mal, dass ich die Wahrheit aussprach, dass nicht alles gut im Königreich sei. Oh, wir hatten eine gute Show für die Nachbarn drauf, für die Kirche, für die Schule und Verwandten. Die immer noch verliebten Eltern Hand in Hand durchs Leben, ihre erfolgreiche Smiley-Tochter schüchtern folgend. Aber die Realität war weit weg davon.

Es gab oft verbale Streitgefechte. Papa hatte Blackout-artige Wutanfälle, rannte wie ein Kaninchen durchs Haus, schrie und fluchte aus vollem Halse, schlug auf die Möbel, Türen, Holzverschalungen und Arbeitsplatte, bis ihm die Fäuste bluteten.

Aber dies war die Zeit, in der ich wagte, die Wahrheit anzusprechen.

„Schau, das kriegst du nicht in den Griff“, fauchte meine Mutter mir nach. „Wenn du dich aufregst, wenn wir uns streiten, werde ich dir nicht erklären, warum wir uns streiten.“


Ich erinnere mich noch wie damals vor 20 Jahren. Ich kann immer noch die Vorhänge im knusprig-weißen Kaffeehaus-Stil sehen, die die Figur meines Vaters umrahmte, als er wütend davon rannte. Ich erinnere mich an die Scham, weil ich Gefühle hatte,…weil ich die Wahrheit sagte,… weil ich um die Einheit der Familie fürchtete…und an den Schrecken überrumpelt zu werden, wenn meine Mutter entschied, mich in Zukunft im Dunkeln zu lassen.


Sofort unterdrückte ich mein Schluchzen und setzte ein Lächeln auf. Ja, das ist das Lächeln. Das gleiche, welches ich heute trage. Es ist etwas abgeschwächt, ein bisschen fadenscheinig, ein bisschen verknittert an den Ecken durch die Überbeanspruchung, aber es sitzt immer noch am Platz.

 

Ich trug es an dem Tag, als Großmutter starb. (Meine Mutter schrie: „Findest du es lustig, dass sie gestorben ist!?“)

Ich trug es an dem Tag, als Großvater starb.

Ich trug es, als mich Mama quer durchs Gesicht schlug.

Ich trug es, als Papa die Tür vor Wut ausgeschlagen hatte.

Ich trug es an dem Tag, als Papa mir ins Gesicht boxte.
Ich trug es, als ich 20 war, und ich es hasste, gezwungen zu sein, mit ihnen zu leben und es verboten war auszuziehen, infolge eines Stockholm-Syndroms.

Ich trug es, als sie meine Liebesbeziehungen beendeten.

Ich trug es, als Papa vor eifersüchtiger Wut Grimassen schnitt, während er wegschaute, wie mein Ehemann mich küsste.

In den Situationen, als es mir entglitt, war meine Mutter schnell dabei, mich mit den Worten von Denis Prager daran zu erinnern: „Glücklich sein ist ein ernstes Problem“, und „Die, die nicht versuchen, so glücklich wie möglich zu sein, haben Körpergeruch in ihrer Persönlichkeit.“

Offensichtlich stank ich.

So habe ich immer dieses Lächeln aufgesetzt zusammen mit meinem Make-up und Lippenstift, bevor ich irgendwohin ging. Meine Maske. Meine Verkleidung. Ein Pastor erzählte mir einmal: „Du verbreitest so viel Freude, wenn du im Chor singst.“ Auch du wurdest reingelegt, dachte ich.

Anscheinend habe ich jeden reingelegt. Als Antwort auf meinen „In-Nicht-Kontakt-gehen“-Brief, schrieb mein Vater: „die Missstände, die du im Oktober 2013 im (Nicht-Kontakt)-Brief ausgedrückt hast, waren total unerwartet. Wir hatten keinerlei Vorahnung, dass du durch unsere Kommunikation so gestört wurdest.“

Keine Vorahnung? Keine Vorahnung!? Meine sofortige Reaktion war, mit den Worten von Mrs. Cooper mit der Urknall-Theorie „Welcher Bulle hat das auf den Scheunen-Boden fallen lassen?“ (US-Serie)

Klar habe ich mit einem Lächeln alle „Kommunikation“ beantwortet, so wie ich allen Missbrauch mit einem Lächeln beantwortet habe.

Aber mein Lächeln ist entglitten immer und immer wieder, nur damit es schnell und ernsthaft durch ein Elternteil oder beide an seinen Platz zurück geschubst wurde. Anscheinend lebt jemand in seiner eigenen, kleinen Traumwelt, wenn er dieses Schubsen vergaß!

 

Und anscheinend bin ich eine höllisch gute Schauspielerin!

Das konstante Lächeln wurde von einem Set von Regeln begleitet. Sie führten dich darin ein, sich so zu verhalten, als wäre das Leben perfekt…auch wenn es nicht so ist.

Ich nenne es „symbolisch leben“.


Lebensregeln für das „Symbolische Leben“

  •  Lächeln, immer lächeln.
  • Benehme dich, als würden das Leben und die Leute perfekt sein, immer, egal, was passiert. Reagiere nicht auf die Situation. Reagiere auf die „perfekte“ Welt.
  • Sei immer glücklich.
  • Reagiere nie, wenn du verletzt wirst.
  • Setze nie Grenzen.
  • Beschwere dich nie.
  • Weine nie.
  • Zeige nie Schmerz in irgendeiner Art – physisch, geistig, emotional oder spirituell.
  • Habe nie Leidenschaft oder Empathie für dich selbst.
  • Gib immer den anderen, obwohl sie dir nie etwas geben.
  • Sei immer gewiss, dass jeder glücklich ist.
  • Tu nie etwas, was dich erfreut oder was für dich selbst ist. 

Vielleicht wissen meine Psychologen-Freunde den korrekten Begriff. Da ist ein Hauch von Dissoziation... und Pfeiler von Co-Abhängigkeit. Wie auch immer man es nennen möge. Es mieft!

 

Bist du in einer Alkoholiker-Familie oder abhängigen Familie aufgewachsen? Dann weißt du, wovon ich rede. Wenn du in einer psychisch kranken Familie aufgewachsen bist, kommt dir das wahrscheinlich geläufig vor. Auch wenn deine Familie nüchtern war, aber hoch disfunktional, weißt du, von was ich spreche.

So, wie hören wir auf „symbolisch“ zu leben?

Wie geht das weiter, nachdem ich den Quatsch raus gefunden habe!?

 

 Lenora Thompson (aus dem Englischen übersetzt von Emma Kober) 

 

 

http://www.lenorathompsonwriter.com/blog/dont-you-dare-show-pain-smile-smile-smile

Über Lenora Thompson

 

 

Lenora Thompson ist freie Journalistin für die Huffington Post und Holzbrand-Künstlerin. In ihrem Blog „Narzissmus begegnet der Normalität“ („Narcissism Meets Normalcy“) beschreibt sie ihre wahre Lebensgeschichte, eine Flucht in jüngster Zeit aus der Geiselhaft einer Generationen übergreifenden, sektenhaften, narzisstischen Familie. Mit offenem, beißenden Humor und Sarkasmus beschreibt sie mutig und realistisch, was sie erlebte. Lenora Thompson sieht sich selbst als „whistleblower“, die eine Schlaglicht auf narzisstischen Missbrauch wirft, so dass auch andere anfangen, ihre Freiheit und die Erfahrung von Heilung zu machen. Hier ihre Webseite: http://www.lenorathompsonwriter.com

 

Der Artikel ist nur zur Information und hat aufklärerische Absichten. Es sollte unter keinen Umständen als Therapie erwogen werden oder Therapien und Behandlung ersetzen. Wenn du dich Selbstmord gefährdet füllst, oder denkst, dich selbst zu verletzen, oder wenn jemand in Gefahr ist, wende dich an öffentliche Notrufstellen. Der Inhalte dieser Blogs und alle Blogs beschreiben die Meinung von L. Thompson. Wenn du Hilfe brauchst, kontaktiere qualifizierte psychologische Stellen. 

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